Wir werden uns an Stromsperren gewöhnen müssen, sagt Fritz Vahrenholt in einem Gespräch mit Boris Reitschuster. Er ist überzeugt, dass es mit dem Klima gar nicht so ernst gemeint ist, sondern dass es darum geht, sich vom hochentwickelten kapitalistischen System zu lösen.
Bekannt wurde Prof. Dr. Fritz Vahrenholt in Deutschland als er von 2008 bis 2012 als Geschäftsführer der neu gegründeten RWE Innogy GmbH für den Bereich Erneuerbare Energien tätig war. Bis 2019 war Vahrenholt Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, die sich für den Schutz und die Förderung heimischer Wildtiere einsetzt. Seit 1999 ist der promovierte Chemiker Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie.
Zerstörung des Wirtschaftsstandortes Deutschland
Fritz Vahrenholt schätzt den Anteil der durch Menschen bedingten Emissionen am Anstieg der Temperaturen in den letzten 150 Jahren auf 50% und im Unterschied zum Weltklimarat (IPCC) nicht auf 100%. Er fiel bei Klimaalarmisten in Ungnade, weil er aufgrund dieser Schätzung ableitet, dass es keinen Grund gibt, übereilt zu reagieren und dadurch dem Land und seinen Bewohnern Schaden zuzufügen.
Für die Eile gebe es unterschiedliche Motivationen, sagt Vahrenholt.
- Ein Teil der Klimawissenschaftler habe durch das Interesse der Öffentlichkeit Bedeutung und finanzielle Mittel erlangt.
- Linke und grüne Aktivisten lehnen die kapitalistische Gesellschaftsform ab und wollen sie so schnell wie möglich zerstören. Verbrennungsmotoren sollen abgeschafft werden, sagt Vahrenholt. Die Chemieindustrie werde es nicht mehr geben. “Das wird passieren”, sagt er. “Die Menschen haben Angst bekommen.”
- Entwicklungsländer dringen darauf, hohe Ausgleichszahlungen zu bekommen.
China habe an der Klimakonferenz in Glasgow nicht teilgenommen. Das Land halte das 2-Grad-Ziel für genug. 1,5 Grad würden Entwicklungsländer nicht schaffen. An dieser Erklärung sehe man, wie politische Interessen Ziele formulieren und über Wettbewebschancen verschiedener Staaten entscheiden, sagt Vahrenholt.
Deutschland habe einen Anteil von 2 Prozent an den Weltemissionen. Als ein hoch entwickeltes Land liefere Deutschland Güter und Maschinen für die gesamte Welt. Man müsse die Emissionen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beziehen. Dann zeige sich, dass Deutschland eine der effizientesten Volkswirtschaften der Erde habe. Durch die Verlagerung von Industriebetrieben nach China würden sich die Emissionen verfünffachen. Daimler zum Beispiel habe die Motorenproduktion nach China verlegt, wodurch mehr CO2-Emissionen entstehen. VW wird nach Ansicht von Vahrenholt seinen Kurs nicht überleben.
Die Erhöhung der CO2-Steuern in Deutschland verschlechtere die Wettbewerbsfähfigkeit und zerstöre den Standort Deutschland, sagt Vahrenholt. Fehlende Investitionen und Teuerungen wiesen auf die Gefahr hin. Es werde jedoch unredlich debattiert.
Die Energie wird teurer und unzuverlässiger
Ende 2021 werden sechs Kernkraftwerke stillgelegt, die CO2-frei Strom produzieren. Ende 2022 werden die letzten Kernkraftwerke stillgelegt. Sie können nicht durch Windkraftanlagen ersetzt werden. Die Bauzeit dauere acht Jahre und versorge nicht ein E-Auto und nicht eine Werbepumpe zusätzlich.
Vahrenholt ist überzeugt, dass es mit dem Klima gar nicht so ernst gemeint ist, sondern dass es darum geht, sich vom hochentwickelten kapitalistischen System zu lösen.
1000 Bürgerinitiativen gegen Windenergie haben sich für eine Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke ausgesprochen. Vahrenholt fragt: Müsste diese Nachricht in Berlin und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht an erster Stelle kommen? Es komme nirgendwo vor, ausgenommen die Bildzeitung, die es gebracht habe. Frage: Warum tun wir das nicht?
Die Energie werde teurer und unzuverlässiger. “Wir werden uns an Stromsperren gewöhnen müssen”, sagt Fritz Vahrenholt. Gas werde knapp. Sollte Nordstream2 nicht kommen, “werden die in Deutschland die Lichter ausgehen.”
Die Gefahr eines Blackouts nimmt zu
Die Gefahr eines Blackouts nimmt nach Ansicht Vahrenholts zu. Dies würde zahlreiche Tote bedeuten. Nachbarländer würden mit in den Abgrund gerissen. Insbesondere Holland, Belgien, den Norden Frankreichs und vor allem Österreich wären dadurch betroffen. Vahrenholt bezeichnet die Entwicklung als dramatisch.
Die Netzbetreiber werden “bis zum bitteren Ende versuchen, das System am Leben zu halten”, sagt Vahrenholt. Sie werden versuchen, die Strombedarfe rechtzeitig abzustellen. Aluminium- und Stahlwerkewürden bereits jetzt schon abgeschaltet. Großstädte werden folgen.
Politiker unterschätzen das Problem
Nicht jeder Beteiligte in der Politik sei von einer Zerstörungswut besessen. In großen Teilen mache man sich jedoch etwas vor: “Wir schaffen das schon”. Das Problem werde unterschätzt.Talkshows ebenso wie Komissionen der Bundesregierung seien nicht mit Fachleuten, Ingenieuren, Energietechnikern, sondern mit Überzeugungsleuten, Genderisten, Theologen und Vertretern von Bürgerinitiativen besetzt. Ein Teil der “Aktivistenszene”, insbesondere X-tinction Rebellion und Ende Gelände hätten das Ziel, das kapitalistische System zu zerstören.
Der Zug ist nicht abgefahren
Der Zug sei nicht abgefahren. Der Ernst der Lage werd in Politik und Medien nicht erkannt, sodass es in den nächsten ein bis zwei Jahren zu Einschlägen kommen werde. Vahrenholt ist sich sicher, dass sich dann die Menschen das nicht mehr gefallen lassen werden. “Die haben uns doch was anderes erzählt”, werden sie sagen.
Deutschland werde dadurch gezwungen, sehr schnell notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Gas sei dann einer der wichtigen zentralen Brennstoffe. Vahrenholt verweist auf CO2-Abscheidungen. Rund um Deutschland entstünden außerdem Kernkraftwerke, “die uns versorgen”. Irgendwann werde Deutschland sich an der Debatte beteiligen. Mit neuen Kernkraftwerken.
Titelbild: distelAPPArath, pixabay