“Eine zuverlässige und preisgünstige Versorgung von privaten Haushalten und Wirtschaft mit Strom ist zunehmend fraglich”, warnte der Bundesrechnungshof Ende März. Es ist nicht zu erwarten, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf die Warnungen und Forderungen des Bundesrechnungshofes reagieren wird. Dies stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) klar und weist die Kritik des Bundesrechnungshofes zurück: “Alle unsere Untersuchungen zeigen, dass wir in der Summe für Deutschland ausreichend Strom haben.”
In einem Statement stellt der Bundesrechnungshof dem BMWi ein vernichtendes Zeugnis aus. Die Bundesregierung steuere den Transformationsprozess Energiewende weiterhin unzureichend. “Eine zuverlässige und preisgünstige Versorgung von privaten Haushalten und Wirtschaft mit Strom ist zunehmend fraglich. Die sichere Versorgung unterliegt Risiken, die die Bundesregierung nicht vollständig im Blick hat. Denn: bei der Versorgungssicherheit ist das Monitoring lückenhaft; die Bundesregierung hat die Bezahlbarkeit noch immer nicht messbar bestimmt.”
Die Versorgungssicherheit ist gefährdet
Zu wesentlichen Aspekten der Energiewende schweige das BMWi, sagt der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller. Dazu gehören aus der Sicht des Bundesrechnungshofes die Aspekte Netzausbau und Speicher, Netzwartung, Netzstabilität oder Versorgungsausfälle. Bei anderen Kriterien beruhe die Bewertung des BMWI auf unrealistischen oder überholten Annahmen. Sie seien teils zu optimistisch und teils unplausibel.
Die Versorgungssicherheit sei dadurch gefährdet, dass die Bundesregierung viele Aspekte der Energiewende nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Der Kohleausstieg hinterlasse eine Kapazitätslücke von bis zu 4,5 Gigawatt– die Leistung von vier großen konventionellen Kraftwerken.
Die neuen Pläne zur Wasserstoffgewinnung und zur „Elektrifizierung“ von Wärme und Verkehr verursachen einen erheblichen Strommehrbedarf. Auch dies sei nicht berücksichtigt. Dies gelte auch für Jahre mit extremem Klima. “Wind und Sonne erzeugen dann erheblich weniger Strom”, sagt der Präsident des Bundesrechnungshofes.
Der Bundesrechnungshof wirft dem BMWI vor allem vor, dass das Ministerium kein Szenario untersucht habe, “in dem mehrere jetzt schon absehbare Faktoren zusammentreffen, die sich nachteilig auf die Versorgungssicherheit auswirken können. Ein „Worst-Case“-Szenario als Stresstest fehlt.” Sein Monitoring der sicheren Versorgung mit Strom müsse das BMWi vervollständigen und anpassen, “sonst kann es den sich abzeichnenden realen Gefahren für die Versorgungssicherheit nicht wirksam begegnen.”
Strompreisentwicklung außer Kontrolle
Bedenklich stimmen den Bundesrechnungshof die hohen Strompreise für Privathaushalte und für kleinere und mittlere Unternehmen.
Das jetzige Energiepreissystem mit seinen Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen führe absehbar zu immer höheren Strompreisen, sagt Scheller. “Sie machen bereits jetzt 75 % des Strompreises aus. Alle bisherigen Bemühungen der Bundesregierung haben diese Entwicklung nicht stoppen können. Dieser Trend wird sich vielmehr fortsetzen.”

Quelle: Bundesrechnungshof.
Die Gründe für den Anstieg der Strompreise sieht der Bundesrechnungshof in “Faktoren wie den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, die Leistungsfähigkeit des Stromnetzes oder die CO2-Bepreisung.” Die weitere Erhöhung des Strombedarfs zeichne sich ab, zum Beispiel als Folge der Wasserstoffstrategie, und durch die Einbeziehung der Sektoren Wärme und Verkehr in die Energiewende. Die Förderung stromintensiver Bereiche wie die Elektromobilität oder „erneuerbarer Wärme“ z. B. durch Erdwärmepumpen lasse die Nachfrage nach Strom weiter steigen. Dies führe voraussichtlich zu einer deutlichen Erhöhung des Strompreises.
Laut Scheller sieht der Bundesrechnungshof die Gefahr, dass die Energiewende in dieser Form den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet und die finanzielle Tragkraft der stromverbrauchenden Unternehmen und Privathaushalte überfordert. Er erwartet vom BMWI eine Festlegung, was unter einer preisgünstigen und effizienten Stromversorgung zu verstehen ist.
Manchmal ist man nur mehr sprach- und fassungslos
“Alle unsere Untersuchungen zeigen, dass wir in der Summe für Deutschland ausreichend Strom haben – trotz Kohle- und Atomausstieg, sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. “Alle unsere Untersuchungen zeigen, dass wir in der Summe für Deutschland ausreichend Strom haben. Wir halten uns dabei an Wahrscheinlichkeitsrechnungen und nicht an hypothetischen Worst-Case-Szenarien. Sich an einem theortheoretischen, in der Vergangenheit niemals beobachteten Extremfall zur orientieren wäre volkswirtschaftlich nicht vertretbar.”
Strom kann im Übertragungsnetz nicht gespeichert werden, somit muss in jedem Moment genauso viel elektrische Energie erzeugt werden, wie auch gerade verbraucht wird. Dies bedeutet, dass die Produktion und der Verbrauch von Energie stets im Gleichgewicht sein müssen. Dieses Gleichgewicht gewährleistet den sicheren und stabilen Betrieb des Netzes bei einer konstanten Frequenz von 50 Hertz. Bei einem Überangebot von Strom steigt die Frequenz, bei einem Unterangebot sinkt sie. In einem gewissen Rahmen ist das unproblematisch. So schwanken im täglichen Netzgeschehen die Frequenzen zwischen 49,99 und 50,01 Hertz. Damit das Gleichgewicht im Netz immer sichergestellt werden kann, ist eine sorgfältige Planung gemeinsam mit den Kraftwerken und den Stromhändlern notwendig. Die Planung wird dadurch erschwert, dass Zufallsstromerzeuger wie Wind und Solar einen gesetzlich festgelegten Vorrang bei der Einspeisung genießen.
Die Vorstellungen der Bundesnetzagentur erinnern an die Bemerkung der Kanzlerkandidatin Annalena Baebock: “Deswegen fungiert das Netz als Speicher. Und das ist alles ausgerechnet.”
“Manchmal ist man nur mehr sprach- und fassungslos”, sagt Herbert Saurugg. Der Optimismus der Netzagentur beruht auf der irrigen Annahme, dass die Summe des Stroms die Versorgungssicherheit garantiert. Diese Sätze zeigen Saurugg “eine gewisse Realitätsverweigerung und einen Selbstbetrug! Denn die Summe ist bei 31.536.000 Sekunden pro Jahr, wo die Balancen stimmen muss, irrelevant! Was auf jeden Fall volkswirtschaftlich nicht vertretbar wäre, ist ein Blackout.”
Herbert Saurugg ist ein international anerkannter Experte für die Energiewende, Blackout- und Krisenvorsorge; Vernetzung & Komplexität, Resilienz, Vorsorge, Notstrom und Krisen.
Jochen Homann hat Volkswirtschaftslehre studiert. Er ist ein politischer Beamter, der laut § 30 Abs. 1 BeamtStG in Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen muss. Entlassen kann ein Beamter auf Lebenszeit nicht, er kann lediglich in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Titelbild: GregPlom, pixabay
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2 Gedanken zu “Die Bundesregierung nimmt Versorgungslücken in Kauf”